C’est pour toi que sonne la glace

CestPourToiQueSonneLaGlace2_SaintClaude_2023 C’est pour toi que sonne la glace, 2023
Mehrkanalige Klanginstallation (3 Lautsprecher + 2 Exciter-Lautsprecher); Dauer: 6’40”

Auszug (Stereo-fassung):

 

In der Klanginstallation, die im Untergeschoss des Museums in einem erhaltenen Teil der Abtei von Saint-Claude präsentiert wird, wird das Thema der gefrorenen Landschaften vor dem erschwerten Kontext der globalen Erwärmung auf akustische Weise behandelt und tritt in Resonanz mit anderen Werken der Ausstellung in den oberen Stockwerken. Das Hauptargument ist historisch: Im Dezember 1623, also genau 400 Jahre zuvor, schrieb der englische Dichter und Prediger John Donne (1572 – 1631) im Alter von 51 Jahren die Prosagedichte Devotions Upon Emergent Occasions (Andachten in Zeiten der Krise), darunter die 1624 veröffentlichten „Meditations on our human being“ (Meditationen über unser Menschsein). Diese Meditationen stellen eine Form des Übergangs von der subjektiven Beobachtung und Erfahrung der eigenen Krankheit zu einem globalen Bewusstsein des menschlichen Elends dar. So schreibt er in der Meditation XVII:

« No man is an island, entire of itself;
every man is a piece of the continent, a part of the main;
if a clod be washed away by the sea, Europe is the less,
as well as if a promontory were, as well as if a manor of thy friend’s or of thine own were;
any man’s death diminishes me, because I am involved in mankind,
and therefore never send to know for whom the bell tolls; it tolls for thee. »

« Aucun homme n’est une île, un tout, complet en soi ;
tout homme est un fragment du continent, une partie de l’ensemble ;
si la mer emporte une motte de terre, l’Europe en est amoindrie,
comme si les flots avaient emporté un promontoire, le manoir de tes amis ou le tien ;
la mort de tout homme me diminue, parce que j’appartiens au genre humain ;
aussi n’envoie jamais demander pour qui sonne le glas : c’est pour toi qu’il sonne. »

In der Auseinandersetzung mit dieser Meditation (auf die sich auch Ernest Hemingway in seinem Buch Wem die Stunde schlägt bezog) stelle ich eine Verbindung zum Zustand der Natur in der heutigen Zeit her. Nach 400 Jahren Industrialisierung, Kriegen, Globalisierung und schwerfälligem, unseren Planeten verachtendem Interventionismus steht fest: Wir haben unsere Welt krank gemacht, und die beschleunigte Eisschmelze mit ihren noch kaum vorstellbaren Folgen ist zu einer Tatsache geworden. Es geht nicht um die von John Donne erwähnten Glockenschläge, die das Totenglöckchen für jedes einzelne Wesen in seiner zarten und dunklen menschlichen Verfassung läuten; es geht um das Totenglöckchen für die gesamte Menschheit, die in einer neuen Metapher aus Donnes Meditation XVII zu :

Aucun iceberg n’est une île, un tout, complet en soi ;
Toute montagne de glace est un fragment du continent, une partie de l’ensemble.
Si la mer emporte une vie humaine, le monde en est amoindri,
comme si les flots avaient emporté une pensée, l’esprit d’un ami ou le tien.
La disparition de tout iceberg me diminue, parce que j’appartiens à la planète.
Aussi, n’envoie jamais demander pour qui sonne la glace : c’est pour toi qu’elle sonne !

Die Klanginstallation in der Abtei von Saint-Claude umhüllt sich mit dem manchmal dumpfen, manchmal brüllenden Rauschen von 400 Jahren Eislandschaften, die diese grosse Schmelze ankündigen, gefrorene Landschaften, die sich auflösen und verdampfen und damit ihre baldige Totenglocke läuten. Die Stimmen, die Glockenklänge drängen aus dem Boden, schwingen unter unseren Schritten, kommen von unter unseren Füßen, aus dem Grab des Kantors Claude Venet in der Kapelle, die er sich hat bauen lassen.

Installation im Musée de l’Abbaye, Saint-Claude, Jura, Frankreich.
Vom 23. Dezember 2023 bis zum 19. Mai 2024.

Fotografischer Credit © Musée de l’Abbaye – Pierre Guenat

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